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Rechtssprechung » Arbeitsrecht » LAG: Sonderkündigungsschutz von Ersatzmitgliedern
Mitglieder von Betriebsräten geraten durch ihre Tätigkeit oft in Konflikte mit dem Arbeitgeber und werden daher durch die geltenden Gesetze besonders geschützt. Neben dem in § 78 BetrVG enthaltenen allgemeinen Verbot der Benachteiligung von Mitgliedern des Betriebsrats spielt der der besondere Kündigungsschutz eine wichtige Rolle: Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist die Kündigung eines Mitgliedes des Betriebsrats allgemein unzulässig, außer es liegen Tatsachen vor, die den Arbeitgeber zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigen und der Betriebsrat hat gemäß § 103 BetrVG der Kündigung ausdrücklich zugestimmt hat. Auch nach Beendigung seiner Amtszeit kann der Arbeitgeber einem ehemaligen Mitglied des Betriebsrats nur aus wichtigem Grunde fristlos kündigen (§ 15 Abs.1 Satz 2 KSchG). Einer solchen Kündigung muss der Betriebsrat nicht zustimmen.
Wenn ein Betriebsratsmitglied zeitweilig verhindert ist, tritt an seine Stelle vorübergehend ein Ersatzmitglied. Der Name des Ersatzmitgliedes wird aus den nicht-gewählten Arbeitnehmern der Vorschlagsliste entnommen, denen das verhinderte ordentliche Mitglied angehört (§ 25 BetrVG). Für die Dauer der Verhinderung wird das Ersatzmitglied damit zum Betriebsratsmitglied und es erhält somit ebenfalls den Sonderkündigungsschutz.
Diese Regelungen erscheinen auf dem ersten Blick als klar und verständlich. Bei Anwendung dieser Regelungen stellen sich aber immer wieder Fragen, die teilweise von der Rechtsprechung noch nicht verbindlich geklärt sind. Wann ist ein Mitglied z.B.„zeitweilig verhindert“ im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Zu welchem Zeitpunkt genau rückt das Ersatzmitglied in den Betriebsrat ein? Das Landesarbeitsgerichtes (LAG) Düsseldorf hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit einigen dieser Fragen befasst (Urteil vom 26.04.2010, 16 Sa 59/10).
Ein Kläger war im Außendienst eines Unternehmens beschäftigt und erstes Ersatzmitglied des Betriebsrats bei dem beklagten Arbeitgeber. Der Arbeitgeber warf ihm Arbeitszeit- und Spesenbetrug vor. Zu Beginn des Moants April 2009 hörte der Arbeitgeber den Betriebsrat daher zu einer beabsichtigten fristlosen Kündigung an. Der Arbeitgeber ging davon aus, dass eine ausdrückliche Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 103 BetrVG nicht erforderlich sei.
Am 14.04.2009 hat der Betriebsrat über die vom Arbeitgeber beabsichtigte Kündigung beraten. Sämtliche ordentlichen Mitglieder des Betriebsrats nahmen an der Sitzung teil. Sie beschlossen, eine - vom Arbeitgeber gar nicht beantragte - Zustimmung zu einer fristlosen Kündigung des Klägers nicht zu erteilen. Das Gremium war der Auffassung, dass der Kläger, da er zuletzt am 10.03.2009 als „Nachrücker“ an einer Sitzung des Betriebsrats teilgenommen hatte, den Sonderkündigungsschutz nach §§ 15 KSchG, 103 BetrVG genießen würde.
Am selben Tag hat ein ordentliches Mitglied des Betriebsrats Urlaub für den folgenden Tag (15.04.2009) beantragt und erhalten. Somit hätte der Kläger als „Nachrücker“ hätte aktiv werden können. An diesem Tag wurde er jedoch nicht zu Betriebsratstätigkeit herangezogen. Er leistete seine reguläre Arbeit . Etwa gegen 8.00 Uhr hat der Arbeitgeber eine fristlose Kündigung mit sofortiger Freistellung auf den Weg gebracht. Diese erreichte den Kläger etwa um 10.00 Uhr. In der Zeit zwischen 10:55 Uhr und 13:00 Uhr rief die Vorsitzende des Betriebsrats das im Urlaub befindliche Betriebsratsmitglied an und bat ihn um die Teilnahme an einer Besprechung um 16.00 Uhr. Um 13:30 Uhr gab es eine Sitzung des Betriebsrats wegen der außerordentlichen Kündigung des Klägers. Der Kläger nahm als Betroffener nicht an dieser Sitzung teil.
In seiner Kündigungsschutzklage hat sich der Kläger auf den Sonderkündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder berufen. Das Arbeitsgericht Wuppertal hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 24.11.2009, 7 Ca 1658/09). Der Arbeitgeber legte gegen dieses Urteil Berufung zum LAG Düsseldorf ein.
Das LAG hat wie seine Vorinstanz entschieden. Die Richter hielten die Kündigung für unwirksam, weil nach ihrer Auffassung der Kläger zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am15.04.2009, um 10.00 Uhr als nachgerücktes Betriebsratsmitglied den Sonderkündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder gehabt hatte. Zunächst vertrat das Gericht die Auffassung, dass der Erholungsurlaub - auch wenn er nur einen Tag gedauert hat - des ordentlichen Betriebsratsmitglieds am 15.04.2009 zu dessen zeitweiliger Verhinderung geführt hatte. Nach Ansicht der Richter hätte eine Verhinderung nur dann nicht vorgelegen, wenn das im Urlaub befindliche Mitglied des Betriebsrats am Vortag gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden verbindlich erklärt hätte, dass er trotz des Urlaubs sein Amt ausüben wollte. Dies war hier unterblieben. Aus diesem Grund war der Kläger als Ersatzmitglied des Betriebsrats aufgrund der urlaubsbedingten Verhinderung des regulären Mitglieds am Beginn des Arbeitstages in den Betriebsrat nachgerückt. Er war somit seit dem 15.04.2009 um 06:00 Uhr morgens Mitglied des Betriebsrat.
Entgegen der Auffassung des LAG Hamm (Urteil vom 25.11.2005, 10 Sa 922/05) kommt das LAG Düsseldorf zurecht zu der Meinung, dass die im Kündigungsschreiben des Arbeitgebers erklärte Freistellung des Klägers nicht zu dessen zeitweiliger Verhinderung als Betriebsratsmitglied geführt hat. Anders als der Urlaub, der einerseits die Pflicht zur Arbeit als auch die Pflicht zur Betriebsratstätigkeit zeitweise aufhebt, betrifft eine einseitige Freistellung durch den Arbeitgeber nur die Arbeitsleistung, nicht aber das Recht zur Teilnahme an der Betriebsratssitzung.
Außerdem greift der Schutz des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG nach Ansicht der Richter unabhängig davon ein, dass eine konkreten Amtstätigkeit vorliegen müsse. Aus diesem Grund kam es nach Auffassung des Gerichts nicht darauf an, ob der Kläger in seiner Funktion als Ersatzmitglied zu einer konkreter Betriebsratstätigkeit herangezogen wurde oder nicht.
Diese Entscheidung ist gut begründet und in sich konsequent. Im Ergebnis führt dieses Urteil dazu, dass ein urlaubsbedingtes Nachrücken am dem Tag, an dem eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigungserklärung zugeht, diese Kündigung des Nachrückers wegen der fehlenden Zustimmung nach § 103 BetrVG unwirksam macht.
Es stellt sich nun die Frage, ob die Entscheidung des LAG vom BAG bestätigt werden wird. Dies wird sich in der nächsten Zeit herausstellen, da gegen das Urteil zwischenzeitlich Revision beim BAG eingelegt wurde (Aktenzeichen: 2 AZR 388/10).
Landesarbeitsgerichtes Düsseldorf, Urteil vom 26.04.2010, 16 Sa 59/10
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