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Rechtssprechung  » Arbeitsrecht  » BAG: Klagezwang bei falscher (zu kurzer) Kündigungsfrist?

Inhalt: BAG: Klagezwang bei falscher (zu kurzer) Kündigungsfrist?

Von gekündigten Arbeitnehmern verlangt das Kündigungsschutzgesetz (KSchG), dass diese innerhalb einer Fristvon 3 Wochen (21 Kalendertage) nach dem Erhalt eines Kündigungsschreibens des Arbeitgebers eine Klage (Kündigungsschutzklage) vor dem Arbeitsgericht einlegen. Das Ziel einer solchen Klage ist die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch diese Kündigung nicht aufgelöst wurde (s. §4 Satz 1 KSchG).

Diese Frist ist auch bei einer außerordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber einzuhalten (§ 131 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Wird diese Frist durch den Arbeitnehmer nicht eingehalten, dann gilt diese Kündigung als rechtswirksam (§ 7 KSchG). Selbst schwerwiegende Verstöße des Arbeitgebers gegen kündigungsschutzrechtliche Bestimmungen (z.B. SGB IX oder Mutterschutzgesetz) können dann nicht mehr herangezogen werden. Für den Arbeitnehmer bedeutet dies, dass das Arbeitsverhältnis endgültig beendet ist. Für den Arbeitnehmer ist die Einhaltung dieser Frist von ganz besonderer Wichtigkeit!

Ein langanhaltender arbeitsrechtlicher Streitpunkt beschäftigt sich mit der Frage, ob dies auch Bedeutung hat,wenn der Arbeitgeber allein die Kündigungsfrist falsch berechnet hat und deshalb in seiner Kündigung einen zu frühen Zeitpunkt der Beendigung angibt.

Bisher stand das Bundesarbeitsgericht (BAG) auf dem Standpunkt, dass ein Arbeitnehmer nicht an die dreiwöchige Frist gebunden ist, wenn er sich nicht gegen die Aulösung des Arbeitsverhältnisses wehren will, sondern ausschließlich die Einhaltung der Kündigungsfrist verlangen will. Dieser Auffassung hat sich auch die überwiegende Meinung in der Literatur angeschlossen. Nach der bisherigen Rechtsprechung sei dann keine Feststellungsklage erforderlich, sondern es würde z.B. eine Klage auf die Zahlung des zustehenden Entgeltes (Forderungsklage) für die restliche Laufzeit des Arbeitsverhältnisses genügen. Dies hat das BAG in seinen Entscheidungen vom 15.12.2005 (2 AZR 148/05) und 09.02.2006 (6 AZR 283/05) nochmals bestätigt.

Zumeist kommt es auf diesen Streit nicht an, da die meisten Kündigungen mit einer zu kurz berechneten Frist so ausgelegt werden können, dass der Arbeitgeber eigentlich den richtigen bzw. einen späteren Beendigungstermin gemeint hatte.

Ist man aber der Auffassung, dass eine solche Auslegung zu weit ginge, dann muss man dazu einen klaren Standpunkt einnehmen. Dies hat das BAG vor kurzem getan (Urteil vom 01.09.2010, 5 AZR 700/09). Die Entscheidung  hat allerdings ein überraschendes Ergebnis!

Sachverhalt

Ein Kläger, geboren am 09.11.1972, war seit dem 01.08.1995 bei einer Tankstelle beschäftigt. Nachdem der Inhaber der Tankstelle zweimal gewechselt hat, erhielt der Kläger die Kündigung mit Schreiben vom 22.04.2008. Als Beendigungstermin für das Arbeitsverhältnis nannte der Arbeitgeber in seiner Kündigung den 31.07.2008. Da der Kläger aber bereits eine Beschäftigungsdauer von mehr als 12 Jahren erreicht hatte, hätte er aber erst mit einer Kündigungsfrist von 5 Monaten, also erst zum 30.09.2008 gekündigt werden können.

Dies hatte der Arbeitgeber falsch gesehen, weil er aufgrund des Wechsels der Inhaber einen Teil der Beschäftigungszeiten nicht anerkannt hatte. Weiter hätte er auch die gesamte Beschäftigungszeit als zu berücksichtigende Zeiten anerkennen müssen - also auch die Zeiten vor Vollendung des 25. Lebensjahres (in diesem Fall die Zeit vom 01.08.1995 bis 09.11.1997). Hier ist die Bestimmung des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht anzuwenden, da sie nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs eine Altersdiskriminierung darstellt und nicht angewendet werden durfte (EuGH, Urteil vom 19.01.2010, Rs. C-555/07 - Kücükdeveci). § 622 Abs. 2. Satz 2 BGB regelte bisher, dass Beschäftigungszeiten vor Vollendung des 25. Lebensjahres bei der Feststellung der Kündigungsfrist nicht zu berücksichtigen waren.

Der kläger hat zunächst nichts unternommen. Im November 2008 hat er die Löhne für die Monate August und September 2008 erst eingeklagt. Er vertrat die Ansicht, dass ihm diese Löhne zustehen würden, wenn die Kündigungsfrist durch den Arbeitgeber richtig berechnet worden wären.
Das Arbeitsgericht Stralsund hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 11.03.2009, 3 Ca 522/08), allerdings hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern ihr stattgegeben (Urteil vom 19.08.2009, 2 Sa
132/09).

Entscheidung

Das BAG hat der Revision des Arbeitgebers stattgegeben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung heißt es in der zur Zeit nur vorliegenden Presseerklärung des BAG:

Die vom Arbeitgeber im Kündigungsschreiben genannte Kündigungsfrist war zwar zu kurz, denn der Arbeitgeber hätte aus den o.g. Gründen eine Frist von 5 Monaten, d.h. bis zum 30.09.2008 gewähren  müssen. Trotzdem bestand der vom Arbeitnehmer eingeklagte Lohnanspruch für August und September 2008 nicht mehr, da der Arbeitnehmer innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Zugang der Kündigung die richtige Kündigungsfrist gerichtlich hätte geltend machen müssen.

Denn nach Auffassung des BAG konnte die ausdrücklich zum 31.07.2008 erklärte Kündigung beim besten Willen nicht als eine Kündigung zum 30.09.2008 ausgelegt werden. Das Richter vertraten die Meinnung, dass der Arbeitnehmer die Nichteinhaltung der objektiv richtigen Kündigungsfrist innerhalb der an die Frist gebundenen Klage gem. § 4 Satz 1 KSchG geltend zu machen habe. Allerdings unterließ es das BAG, zu erklären, mit welchem Antrag dies zu geschehen habe.

Fazit

Trotzdem der zweite und der sechste Senat mit den Urteilen vom 15.12.2005 und 09.02.2006 vom Arbeitnehmer ausdrücklich nicht die Erhebung einer Klage innerhalb der dreiwöchigen Frist fordern, wenn er sich ausschließlich gegen eine zu kurz berechnete Kündigungsfrist wehren möchte, ist der fünfte Senat hier einer anderen Auffassung. Damit wird Rechtsunsicherheit in einer praktisch sehr wichtigen Rechtsfrage geschaffen, da hier die Meinungen der Senate weit auseinander gehen. Diese Rechtsdivergenz sollte möglichst schnell aufgehoben werden!

Arbeitnehmern, die eine Kündigung erhalten haben, die eine zu kurze Kündigungsfrist enthält, kann derzeit nur geraten werden,vorsorglich innerhalb der Dreiwochenfrist eine Klage zu erheben. Sollte der Arbeitnehmer, wie im geschilderten Fall, die Kündigung an sich nicht angreifen, sondern nur die Einhaltung der richtigen Kündigungsfristen erreichen, dann ist auf eine entsprechende Feststellung zu klagen.

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